Are You Really Lost Matias Aguayo

Das Meer der Tränen war tief und salzig, als eines der aufregendsten Duos der elektronischen Hemisphäre seine Auflösung bekannt gab. Closer Musik war der viel zu kurz geratene Höhepunkt, an dem Minimal, Pop und Erotik miteinander verschmolzen. Songs wie "Maria", "You Don't Know Me" und "One Two Three (No Gravity)" sind zu echten Klassikern des Genres geworden und sind noch bis zum heutigen Tag auf den Dancefloors zu hören. Nachdem Closer Musik-Mitstreiter Dirk Leyers mit seiner "Wellen EP" (2005, KOM 114) ein grandioses Solo-Comeback abgeliefert hatte, kehrt Matias Aguayo mit einem Longplayer zurück, der ihn wieder ins Rampenlicht rückt. Entstanden aus dem Refugium seines Berliner Studios beweist "Are You Really Lost?" ganz ohne Übertreibung, dass wir es hier mit einem wahren Virtuosen seiner Zeit zu tun haben. Der Eröffnungstrack "De Papel" gibt das Tempo vor, für das bis dato vielleicht körperlichste Album von Kompakt, das beweist, dass langsame Grooves oft besser sind. Jeder, der schneller als 125 fährt, wird angehalten. Genießen sie die Fahrt um die 119 bpm! Denn der Schweiß wird Ihren Körper genauso durchtränken, als wenn sie diese fantastische Straße mit einer schnelleren Geschwindigkeit befahren würden, nur dass sie danach bestimmt nach gutem Sex riechen werden ...

Lassen Sie uns ein paar Worte über die Musik verlieren. Mit "Radiotaxi" und "Drums & Feather" treten Aguayos chilenische Wurzeln in den Vordergrund. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten Ricardo Villalobos oder Luciano klingt Aguayo aber weitaus robuster und poppiger als die psychedelischen Ansätze seiner Vorgänger. "De Papel" kommt wie die Uptempo-Version von Massive Attacks "Daydreaming" daher. Sehr intensiv. Aguayo will den ganzen Kuchen und verschlingt ihn in seiner ganzen Köstlichkeit mit dem Titeltrack "Are You Really Lost". "Planet Claire", dieser stürmische, fast Ragga-artige Uptempo-Stomper mit schönem Gruß an The B 52's, wird sicher manchen reparaturbedürftigen Club in Angst und Schrecken versetzen. Und dann ist da noch "Well" - der erste "echte" Pop Song des Albums, der ein wenig an Grace Jones' lasziven Genre-Mix aus ihren "Island Life"-Zeiten erinnert, allerdings mit Aguayos verführerischem Crooning. Dieser Song ist geradezu dafür bestimmt, die schmutzigsten Gedanken selbst in die reinsten Seelen zu transportieren. Schließlich erreichen wir das hypnotische "So In Love", das den Begriff Disco für die kommenden Jahre neu definieren wird. Aguayos Solodebüt wurde von Marcus Rossknecht mitproduziert. Man kennt ihn bereits von seinem gefeierten Projekt The Meteorites, das neben Supercollider zuletzt auf Cristian Vogels' Rise Robots Rise den Funk in die Zukunft katapultierte. Auf "Are You Really Lost?" geht das Katapultieren weiter: Innovation. Unterhaltung. Techno. Erotik. Pop. Matias Aguayo lebt das alles und treibt es weiter voran.